Hermann Neuton Paulsen –
(24. Juli 1898 - 5. Februar 1951)
Pädagoge, Visionär und Kritiker seiner Zeit
Hermann Neuton Paulsen war nicht nur ein herausragender Pädagoge, sondern auch ein kritischer Zeitgeist, der die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen seiner Zeit genau verfolgte. Besonders prägend war seine Rolle in der Bildungsgeschichte der nordfriesischen Inselwelt. Sein Leben und Werk sind tief mit Pellworm verbunden, aber auch mit der Hallig Süderoog, die zu einem Ort seiner Visionen von Bildung und Gesellschaft wurde.
Hier entwickelte Paulsen ein Konzept, das weit über die reine Wissensvermittlung hinausging und die Prinzipien von Gemeinschaft, Eigenverantwortung und Respekt vor der Natur betonte – Werte, die heute noch an der Hermann-Neuton-Paulsen-Schule lebendig sind.
Hermann Neuton Paulsen und die Hallig Süderoog – Ein Ort der Bildung und des stillen Widerstands
Die Hallig Süderoog, eine kleine Hallig im Nordfriesischen Wattenmeer, war für Paulsen weit mehr als nur ein Rückzugsort in der Natur. Sie war ein abgelegener Ort, fernab vom urbanen Bildungsbetrieb jener Zeit. Die Abgeschiedenheit der Hallig und die rauen, oft von Ebbe und Flut geprägten Lebensbedingungen, standen für Paulsen symbolisch für die Herausforderungen einer ganzheitlichen, flexiblen und lebensnahen Bildung.
Nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs, in dem Paulsen selbst als Soldat diente, erkannte er die Notwendigkeit, den Frieden als fundamentales Ziel der Erziehung zu verankern. Auf der Hallig Süderoog fand Paulsen den Raum, um seine Visionen von Bildung und Gesellschaft zu entwickeln und zu verwirklichen. Er stellte die gängigen, oft starren und autoritären Erziehungsmethoden der damaligen Zeit infrage und plädierte für ein Lernen, das die Kinder nicht nur auf ihre fachlichen Fähigkeiten fokussierte, sondern sie auch in ihrer sozialen und moralischen Entwicklung unterstützte. Er förderte Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten, dass sie gleichberechtigten Zugang zu Bildung erhielten. Die Hallig wurde zu einem Modell, das Paulsen als einen Ort des aktiven Lernens verstand – ein Ort, an dem Kinder Verantwortung übernahmen und sich in einer Gemeinschaft mit anderen zusammenfanden, ohne von gesellschaftlichen Barrieren oder starren Lehrplänen eingeengt zu werden.
Hermann Neuton Paulsen im politischen Umbruch seiner Zeit
Paulsen lebte und arbeitete in einer Zeit tiefgreifender politischer Umwälzungen: Vom Deutschen Kaiserreich (1871–1918), über die Weimarer Republik (1918–1933) bis hin zum Dritten Reich (1933–1945). Jede dieser Epochen prägte nicht nur die Gesellschaft einschneidend, sondern auch Paulsens Denken und Engagement.
Das autoritäre Bildungssystem des Kaiserreichs, das stark auf Disziplin und Gehorsam setzte, war Paulsen ein Dorn im Auge. Er kritisierte die hierarchischen Strukturen der Bildungseinrichtungen und stellte die Bedeutung einer freien, selbstbestimmten Entwicklung der Kinder in den Vordergrund. Besonders der militaristische Nationalismus dieser Ära stand im Widerspruch zu seinen Ideen von internationaler Verständigung und Frieden, die er in seiner Erziehung vermitteln wollte. Paulsen strebte eine Bildung an, die die Kinder zu selbstständigem Denken und verantwortungsbewussten Handeln anregen sollte – eine Haltung, die ihn auch von anderen seiner Zeitgenossen abhob.
Nach dem Ersten Weltkrieg und der Gründung der Weimarer Republik befand sich Deutschland in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Die Demokratie war von vielen Seiten bedroht, und die Gesellschaft war zerrissen von sozialen Konflikten und politischen Unruhen. Paulsen beobachtete diese Entwicklungen mit Sorge und stellte sich entschieden gegen die politischen Strömungen, die die Gesellschaft weiter polarisierten. Die Krise der Republik und die aufkommenden faschistischen Tendenzen weckten in ihm den Wunsch, eine Erziehung zu fördern, die auf Solidarität, friedlicher Zusammenarbeit und einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft basierte.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 stellte Paulsen vor eine existenzielle Herausforderung. Die neue Regierung versuchte, die Bildung zu instrumentalisieren und nach den rassistischen, nationalistischen und militaristischen Ideologien des NS-Regimes auszurichten. Paulsen, der sich stets für eine humanistische Bildung einsetzte, war über diese Entwicklung entsetzt. Auch wenn er sich öffentlich nicht in den Widerstand begab, so war seine Erziehungsidee doch ein stiller Protest gegen die entmenschlichenden Prinzipien des Nationalsozialismus.
Die Hermann-Neuton-Paulsen-Schule heute – Ein lebendiges Erbe seiner Prinzipien
Heute lebt das Erbe von Hermann Neuton Paulsen weiter – besonders in der Hermann-Neuton-Paulsen-Schule auf Pellworm. Die Schule trägt seinen Namen mit Stolz und steht für eine moderne, auf die Schülerschaft fokussierte Bildung, die immer noch von den Prinzipien Paulsens geprägt ist. Diese Prinzipien umfassen nicht nur fachliche Kompetenzerweiterung, sondern auch soziale Werte wie Gemeinschaft, Eigenverantwortung und ein respektvoller Umgang mit der Natur.
Die Schulkultur spiegelt den Einfluss Paulsens wider, indem sie für ein offenes, förderndes und respektvolles Miteinander einsteht. Sie schafft eine Umgebung, in der die Schülerinnen und Schüler nicht nur Wissen erwerben, sondern auch die Fähigkeiten und Werte entwickeln, die sie zu verantwortungsbewussten, kritischen und engagierten Bürgern machen.
Sein Grab auf dem Friedhof der Alten Kirche auf Pellworm wird von der Schule gepflegt, und die jährlichen fest in der Schulkultur verankerte Gedenkveranstaltung sind ein wichtiger Moment, um an das Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Pädagogen zu erinnern.
Hermann Neuton Paulsen war ein Visionär, der es verstand, in einer Zeit des Wandels und der politischen Umwälzungen eine Bildung zu schaffen, die die soziale und ethische Verantwortung der nächsten Generationen förderte. Seine kritische Haltung gegenüber den politischen Entwicklungen seiner Zeit – vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis hin zum Dritten Reich – sowie seine konsequente Verwirklichung seiner Ideen auf der Hallig Süderoog machen ihn zu einem zeitlosen Vorbild für uns. Auch heute lebt sein Erbe weiter, insbesondere in der Hermann-Neuton-Paulsen-Schule, die seine Prinzipien der offenen und ganzheitlichen Bildung bewahrt und weiterträgt.